Von Hexen, Sündenböcken und Saligen Frauen (Teil1)

BildDie Hexenverfolgung hatte in Mitteleuropa in der frühen Neuzeit seine erschreckendsten Ausmaße. Die Gesamtzahl der vorwiegend weiblichen Opfer (80%) ist hinlänglich umstritten. Sie bewegt sich zwischen einigen Zehntausend bis hin zu einigen Hunderttausend oder – in umstrittensten Schätzungen – gar mehreren Millionen. Ein entsetzliches und unmenschliches Verbrechen unter maßgeblicher Federführung der kirchlichen Inquisition, aber auch des Volkes Willkür.

Besonders nachdenklich stimmt dabei, dass sich das Worte „Hexe“ aus dem viel älteren Wort „Hagedise“ entwickelt haben soll, wobei „Hag“ für “Haiga” (=die Heilige) und „Dise“(= die Göttliche) stehen soll. Hagedisen waren weise und begabte Frauen, die sich als Naturkundlerinnen, Geburtshelferinnen und Heilerinnen betätigt haben. Sie waren gewissermaßen die Ärztinnen des Mittelalters und ursprünglich sehr hochangesehene, ja sogar als heilig angesehene Personen. Aus dem „Hagedise“-Begriff ist irgendwann die verkürzte Bezeichnung „Hagse“ hervorgegengen, die später zum Schimpfbegriff „Hexe“ umgewandelt bzw. umgedeutet wurde. Die Kirche war bemüht das Wirken der Hagsen als bösen „Schadenszauber“ darzustellen, um ihre alleinige Machtposition zu sicherzustellen. Jesus, der mit seinem Martyrium stellvertretend für alle Menschen sämtliche Sünden auf sich genommen haben soll, ist möglicherweise nur eine patriarchale Legende. Als gesichert gilt hingegen,  dass Zehntausende oder Hunterttausende von Frauen grausam auf Scheiterhaufen verbrannten und für Sünden büßten, die sie nie begangen hatten…

Viele Forscher halten heute für möglich, dass bis hinein in die Jungsteizeit bzw. Bronzezeit unter den Menschen eine matriarchale Lebensweise vorherrschte, d.h. das Leben in Clans in der Abstammungslinie der Mutter. Die Vaterrolle ist in dieser Familienform unbekannt und die Wertmaßstäbe sind dem Wertesystem entlehnt, welches in unserer patriarchal geprägten Gesellschaft am ehesten nur noch durch die Mütter repräsentiert wird: Bedingungslose Liebe (=“Mutterliebe“), Fürsorge, Gewaltlosigkeit, Nachsicht, Erd- und Naturverbundenheit. Diese Werte sind aber auch geschlechterunabhängig umsetzbar und die Grundlage einer Gesellschaft in der das Gebären, Gedeihen und der Schutz alles Lebendigen im Vordergrund steht. Figurinen aus Stein oder Knochen sowie Höhlenmalereien, die weibliche Körper liebevoll in Szene setzen, sind stumme Zeugen einer anderen Weltordnung.  Interessanterweise gibt es auch matriarchale Spuren bei unseren nächsten Verwandten, den Affen: Auch die Bonobos (Zwergschimpansen), die den Menschen nicht nur genetisch, sondern auch hinsichtlich anderer Merkmale am ähnlichsten sind, nach heutigem Verständnis matriarchal: Die Weibchen und der Nachwuchs stehen ganz oben in der Rangordnung und geniessen den Schutz und die Fürsorge der ganzen Gruppe. Die Ähnlichkeit der Bonobos zu den Menschen zeigt sich z.B. darin, dass die Bonobos neben den Menschen die einzige Art ist, die sich ebenfalls von Angesicht zu Angesicht paaren kann. Weiter fällt auf, dass Bonobos besonders leicht an den gleichen Krankheitserregern erkranken, an denen auch Menschen erkranken, weswegen Bonobos (im Gegensatz zu den patriarchal organisierten Schimpansen) in der Umgebung von Menschen leicht zugrunde gehen und kaum in Gefangenschaft gehalten werden können.

Bis in die Neuzeit hinein haben sich auch unter den Menschen noch Überbleibsel dieser matriarchalen Ur-Kulturen aufrechterhalten können, z.B. die Mosuo in China, oder die Minangkabau auf Sumatra. In Mitteleuropa sind die letzten Überbleibsel der matriarchalen Urkultur möglicherweise in der Sagenwelt der Hochalpenregion verewigt. Diese sogenannten „Saligen Frauen“ bzw. „Salkweiber“ oder auch „Wilden Frauen“ genannten Frauen, denen man aussergewöhnliche Kräfte und Fähigkeiten zuschrieb, lebten scheu und zurückgezogen in den Hochalpen und schienen über ein ausgeprägtes Tier- und Planzenwissen zu verfügen. Sie galten als Beschützerinnen der alpinen Tierwelt und ihr Symboltier war die in der Bergwelt heimische Gemse. Bisweilen sollen sie sogar die aus dem Tal kommenden Jäger gezielt an der Jagd gehindert haben, um die für sie heiligen Tiere zu schützen. Es findet sich in zahlreichen Sagen, dass sie sich hingegen sehr gut auf die Weiterverarbeitung von Milch, d.h. das Buttern und Käsen verstanden haben sollen und dieses Wissen gelegentlich an die Bauern aus den Tälern weitergegeben haben. Ein Hinweis auf eine matriarchale Hirtinnenkultur, die möglicherweise in der alpinen Bergwelt ein letztes Refugium vor der um sich greifenden Patriarchalisierung gefunden hat.

Doch was hat das mit der eingangs erwähnten Hexenverfolgung zu tun? Überall in Mitteleuropa wurde über Generationen immer wieder urmatriarchales Wissen über Heilkräuter und Heilrituale von Mutter zu Tochter weitergebenen, welches vielerorts von Frauen praktiziert wurde. Ein Wissen, dessen Anwendung im Mittelalter den Menschen vielerorts wie schiere Zauberei vorgekommen sein musste. Die von der streng patriarchal orientierten Kirche praktizierte „Hexen“-Verfolgung war möglicherweise nichts anderes als die systematische Ausrottung aller Überbleibsel unser matriarchalen Urkultur … !

Fortsetzung folgt…

Herzlichst,

Euer Anatol Stein

(c) by Robert Anatol Stein, 2013

Über anatolstein

Robert Anatol Stein, Dipl.-Ing. (BA), Systemischer Coach, Systemischer Körperpsychotherapeut, http://www.dreistattdry.de, Mitglied bzw. Unterstützer von: MatriaVal e.V., Greenpeace, World Vision, Avaaz.org, Paladins.eu, MatriaSys.de, DreiStattDry.de
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