Systemik ist ein wundervoller therapeutischer Werkzeugkoffer. Das Schöne daran ist, dass dieser Koffer sehr viele unterschiedliche Werkzeuge enthält (=Systemische Perspektiven), von denen immer mindestens eines auf eine therapeutische Situation anwendbar ist. Dennoch könnte keines von sich behaupten für jeden Menschen passend zu sein. Meistens werden verschiedene Werkzeuge kombiniert bzw. die Auswahl individuell an den Klienten angepasst. Versagt ein Werkzeug, so verrät es uns zumindest etwas über das System des Klienten und man wählt daraufhin ein anderes. Um mit dem systemischen Werkzeugkoffer erfolgreich zu arbeiten, darf ein Therapeut das Verhalten oder die Haltung eines Klienten natürlich niemals moralisch bewerten bzw. denjenigen dafür verurteilen. Und ein Therapeut wird mit geradezu abscheulichen Realitäten konfrontiert. Ein Therapeut weiß, dass die Symptome des Klienten lediglich für das System stehen, aus dem er/sie kommt und ein Klient in der Regel nicht die freie Wahl hatte sich bestimmte destruktive Verhaltensmuster zuzulegen.
Was ein Therapeut aber bewerten darf, ist das System aus dem der Klient kommt. Er darf sich eine Meinung darüber bilden, wer im System destruktive Rollen übernimmt und wer oder was die destruktive Energie einspeist. Um dies zu tun braucht ein Therapeut aber ein Referenzwertesystem. Ein System von Werten, welches im Falle der Einhaltung ein System so stabil hält, dass es gar nicht auf Dauer in einen destruktiven Modus kippen kann. Die matriarchalen Werte (siehe Artikel Das duale Wertesystem im Patriarchat) repräsentieren solch ein Referenzwertesystem. Da wir als Therapeuten einen Klienten in den seltensten Fällen aus seinem kranken System herauslösen können, müssen wir umgekehrt das Referenzwertesystem über den Klienten in das System einschleusen. Bildlich gesprochen: Wenn wir aus einem reißenden Wolf ein Schaf machen und es in den Kreis der reißenden Wölfe zurückschicken, wird das Schaf entweder zerrissen oder es wird in Windeseile erneut zum reißenden Wolf. Meist geschieht letzteres. In der Konsequenz müssen wir ein verdammt starkes Schaf am besten noch im Wolfspelz – einem trojanischen Pferd gleich – in sein System zurückschicken. Wie aber bekommt man ein Schaf so stark?
Wir müssen beim Schaf zunächst all die Verletzungen, die es erlitten hat, heilen lassen. In der Überzeugung der Matriarchalen Systemik handelt es sich dabei um die „patriarchalen Grundverletzungen“, die beim Klienten zuvor geheilt werden müssen, bevor die Seele wirklich wachsen kann. Wenn die Seele in der Therapie wächst, ist sie der Übermacht der vielen, möglicherweise „kleineren“ Seelen des Systems tatsächlich gewachsen. Wappnen wir sie zusätzlich mit einem praxistauglichen, an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen orientierten Wertesystem, so ist die Hoffnung dabei berechtigt, dass wir tatsächlich auch das im Hintergrund des Klienten existierende System heilen können, d.h. in einen nicht-destruktiven Modus zurückführen können. Als Systemiker behandeln wir immer Systeme, nicht nur Klienten. Als matriarchale Systemiker haben wir zudem die Vision die Nachhaltigkeit der Behandlung durch ein Wertesystem sicherzustellen.
Derzeit arbeite ich daran ein Seminar über Matriarchale Systemik zusammenzustellen. Den Veranstaltungstermin werde ich hier bekanntgeben. Ich würde mich über eine handvoll Interessenten sehr freuen.
Herzlichst,
Euer Anatol
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