Wir alle wissen, wie es sich anfühlt, wenn man liebt. Nein, ich meine nicht das vorübergehende Verliebt-Sein, ich meine das richtige Lieben. Wir kennen die Liebe zu den Eltern, Geschwistern und zu Partnern, zu den eigenen Kindern, zu Freunden, aber ebenso die Liebe zu Tieren, Pflanzen und zu Mutter Erde. Sie fühlt sich warm, wohltuend und friedlich an. Sie ist gewissermaßen die positivste Form des Bewusstseins, das Hinnehmen der Dinge wie sie nun einmal sind, ohne Zweifel, ohne Kritik, ohne Bedingungen. Das Eins-Sein mit den Dingen.
Wird eine Liebe nicht erwidert, so gerät sie nicht ins Fließen und stirbt bald wieder ab. Oft wird unerfüllte Sehnsucht nach Liebe mit der Liebe selbst verwechselt. Die Sehnsucht nach Liebe macht blind und verschließt unsere Herzen. Liebe jedoch nährt sich aus der Offenheit der Herzen. Liebe, die in ein Herz nicht vordringen kann, kann auch nicht aus ihm entspringen. Aber wenn sie einmal ins Fließen gerät, ist sie kaum zu stoppen. Manchmal reicht eine winzige Öffnung im Herzen, um das Wunder zu vollbringen. Doch wie schaffen wir eine winzige Öffnung? Wie erreichen wir die Menschen, die wir für hartherzig, verschlossen, arrogant, unnahbar oder gar gewalttätig halten? Schauen wir uns zur Beantwortung dieser Frage die „Symptome“ der Liebe an. Liebe wird stets begleitet von:
- Vertrauen – denen, die wir lieben, vertrauen wir und die, die uns lieben, vertrauen uns.
- Freiheit – denen, die wir lieben, legen wir keine Fesseln an, denn nur wer frei ist, kann bleiben wie er ist, d.h. genauso, wie wir uns ursprünglich in denjenigen verliebt haben.
- Wertschätzung – bedeutet Liebe nicht nur zu spüren, sondern auch immer wieder zu zeigen, wie z.B. durch Dankbarkeit, Nähe, Zärtlichkeit oder einfache Gesten wie ein Lächeln, eine Begrüßung, oder ein ausdrucksvoller Blick im richtigen Moment.
- Achtsamkeit – bedeutet stets aufmerksam zu sein nicht zu kränken oder zu verletzen. Worte und Gesten sind mächtig und können kränken – ebenso wie ausbleibende Worte und Gesten in bestimmten Situationen sehr kränken können. Die Achtsamkeit ist der Spürsinn des Herzens.
- Nachsicht – bedeutet Fehler zuzugestehen und Taten zu verzeihen fest im Glauben, dass Wachstum nicht durch Strafen und Sanktionen erreicht werden kann, sondern immer nur durch Liebe.
- Gemeinsinn – bedeutet für liebende Menschen immer wieder zusammenkommen und ihr Liebesbewusstsein zu bündeln und dabei diejenigen „einzufangen“, in denen die Liebe noch nicht im Fluss ist und die derer daher am meisten bedürfen.
Es mag sein, dass es sehr schwerfällt jedem Menschen die oben genannten Geschenke zu machen. Wir alle kennen und fürchten Menschen, die nahezu ohne Liebe im Herzen leben. Und dennoch sind die oben genannten „Symptome“ der Liebe systemisch betrachtet umgekehrt auch die Auslöser bzw. die „Entfacher“ der Liebe. Sie sind in der Lage einen winzigen Zugang zum Herzen zu nutzen und die Liebe wieder ins Fließen zu bringen. Selbst dem uns unangenehmsten Zeitgenossen, z.B. einem rücksichtslosen Gesetzesbrecher, können wir zumindest eines der obigen Geschenke machen. Fällt uns beispielsweise das Entgegenbringen von Vertrauen oder Wertschätzung noch schwer, so können wir doch zumindest verzeihen (Nachsicht) oder denjenigen in die Gemeinschaft integrieren. Eines der oben genannten Geschenke kann ein jeder machen, solang die eigene Liebesenergie noch im Fluss ist.
Was die Liebe ihrem Wesen nach ausmacht, erzeugt sie auch erst – ganz ähnlich einem lodernden Feuer, das nur brennen kann, wenn es zumindest an einem Punkt ursprünglich einmal ganz heiß war. Ein winziger Funke genügt oft schon.
Alles Liebe,
Euer Anatol
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